Neulich im Zug..

Es ist etwa elf Uhr morgens. Ich setze zum Sprint an, um meinen Zug noch zu erreichen. Es ist heiss und ich schwitze. Sommer halt. In meinem Abteil sitzen bereits zwei Männer, mit Ohrstöpseln drin, isoliert, für sich. Der Schaffner kommt, ich zeige meine Fahrkarte, wir wechseln ein paar Worte, ganz normal.

Etwas später drückt meine Blase, ich hatte viel getrunken, es war ja heiss. Ich stehe auf und gehe zur Toilette. Da klebt ein Schild: “Defekt”, kennt man ja. Im nächsten Wagen sollte es dann aber klappen, so bin ich mir das eben gewohnt aus der Schweiz.

Einige Wagen weiter, Blase mittlerweile leer, auf dem Rückweg – Schreie! Ich schaue nach links. Ein kleines Kind im Arm der Mutter, schwarz – beide. Das Abteil, und auch alle umliegenden, voll. Mehrheitlich junge Männer, kaum Gepäck. Ich bin geschockt. Ist das alles wirklich real, frage ich mich?

Mein jugendlicher Traum von einer heilen Welt hat sich spätestens jetzt komplett aufgelöst. Die Flüchtlingskatastrophe ist plötzlich zum Greifen nah und nicht mehr etwas, das ich nur aus den Medien kenne. Das ist alles wirklich real, realisiere ich langsam.

Wir waren in Serbien. Auf dem Weg nach Westeuropa. Sie auch. Wir, Schweizer Sommerurlauber, mit grossem Rucksack und viel Proviant. Sie, Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, ohne Gepäck, mit wenig Proviant. Die Fragen in meinem Kopf überschlagen sich. Woher sind sie? Stehen ihre ehemaligen Wohnhäuser noch? Wo schlafen sie heute Nacht? Sind Freunde und Familien von ihnen noch immer im Kriegsgebiet? Haben sie genug zu essen?

Ich zurück im Abteil. Ergriffen. Ich wusste genau, dass wir nun nach Hause fahren und dort zum Glück alles zum Leben haben, was wir benötigen. Ich wusste aber auch genau, dass sie von zu Hause kommen, zu uns, mit nichts. Ihnen wurde alles genommen, sie brauchen Hilfe – dringend. Ich wusste aber genau, was sie weiter im Westen erwarten würde. Kaum Willkommenskultur, kaum Offenheit, kaum Solidarität.

Sie erweckten den Anschein, als hätten sie trotz all dem Schrecklichen, das sie erlebt haben noch Hoffnung. Ich war traurig.